Samstag, 24. Januar 2009
 
Frankreich: Sarkozys Rechte gestoppt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Johann Schögler   
Freitag, 14. März 2008

Im ersten Durchgang der französischen Kommunalwahlen musste die Regierungspartei UMP von Präsident Sarkozy einen deutlichen Rückschlag hinnehmen, während sich die Linke konsolidieren konnte.

Zugewinne der sozial-liberalen Linken (SP, Grüne, KP); KP konsolidiert sich dank Abkommen mit der SP; die Grünen erreichen in manchen Städten 15–20%, verlieren in Paris allerdings 50%. Durchbruch der antikapitalistischen Linken (LCR und unterstützte Listen mit 3% bis über 10%); die rechtsextreme Front National (FN) von Le Pen weiter auf Talfahrt; das zentristische Modem (demokratische Bewegung; Francois Bayrou) erreicht dort, wo sie selbständig antraten, zwischen 9 und 12%; im Schnitt allerdings unter 4%.

Die Rechte in der Defensive
Nach seinem triumphalen Wahlsieg vor zehn Monaten hatte Sarkozy groß angekündigt, er werde diesen Siegeszug bei den flächendeckenden Kommunalwahlen (36.000 Gemeinden; 40 Millionen Wahlberechtigte) fortsetzen. Diesmal gewann jedoch die gesamte Linke 3% dazu: 47,6% (2001: 44,9%). Bei den Kantonalwahlen (in der Hälfte der Kantone wurde neu gewählt) ist der Trend noch stärker: Die Linke erhält 48%. Die Rechte verlor bereits die Stadt Rouen, am 16. März, beim 2. Durchgang, könnten Marseille, Toulouse, Strassbourg, Amiens, Caen ... folgen. (Nur wer im ersten Durchgang über 50% der gültigen Stimmen erreicht, ist gewählt. Im zweiten Wahlgang gibt es in der Regel zwei Listen; manchmal aber auch drei oder sogar vier; beim 2. Durchgang sticht die relative Mehrheit).

Sarkozy musste den politischen Trendwechsel anerkennen und spricht davon, dass er „dem politischen Willen des Volkes Rechnung tragen wird“, allerdings ohne zu sagen wie! Viele Jung- und ehemalige Front National (FN)-WählerInnen hatten der Rechten diesmal die Stimme verweigert, indem sie nicht zur Wahl gingen. Das Vertrauen in Sarkozy bei den FN-Wählern fiel von 88% auf 43%; daher tischte Sarkozy in Toulon wieder die Immigrations- und Identitätsfrage auf, um diese Stimmen für den 2. Durchgang zu mobilisieren. Die Umfragewerte für Sarkozy waren von Monat zu Monat bis auf 37% gesunken. Dies nicht zuletzt wegen seines umstritten Regierungsstils – le roi, c’est Moi, der König bin ICH - und der nicht erfüllten Wahlversprechen, vor allem was die Kaufkraft betrifft. Er wurde in der Kommunalwahlphase lediglich ein einziges Mal in eine Stadt eingeladen, und die rechten Listen haben das UMP-Zeichen eher versteckt, damit es nicht noch mehr schade: In diesem Sinne war das Ergenis keine echte Überraschung.

Von den 13 Ministern, die an der Spitze einer Gemeindeliste standen, waren immerhin 8 im ersten Wahlgang gewählt worden. Auch Alain Juppé – Ex-Rivale von Sarkozy – erreichte in Bordeaux mit 56,62 Stimmen sein Ziel auf Anhieb. Im Vergleich zu ähnlichen Wahlen sank die Wahlbeteiligung mit 33,46% Nichtwählern auf das niedrigste Niveau seit 1959. Sarkozy sieht seine politische Linie nicht desavouiert, aber die sozio-ökonomischen Probleme wie Kaufkraft, Arbeitslosigkeit, Betriebsauslagerungen … haben an Konturen gewonnen. Le Pen (FN) rechnet weiterhin mit einem baldigen Absturz Sarkozys und hofft darauf, seine Wählerschaft wieder zurück zu gewinnen.

Die sozial-liberale Linke gestärkt
Die SP hatte vor allem mit den Grünen und der KP gemeinsame Listen im Vorfeld ausgehandelt, und das relativ gute Abschneiden der SP wird im Hinblick auf den im Herbst stattfindenden Kongress, bei dem es zwischen den zahlreichen Strömungen der SP um die Vorherrschaft gehen wird, eher in Richtung status quo wirken.

Der jetzige SP-Bürgermeister von Paris, Delanoe (Liste PS-PCF-MRC-PRG) konnte mit 41,6% der Stimmen das Ergebnis im Vergleich zu 2001 um 10% steigern und muss sich nicht einmal um die Stimmen des Modem (9%) kümmern. Im zweiten Durchgang ist die SP allerdings in zahlreichen Städten auf die Stimmen des Modem und der antikapitalistischen Linken angewiesen. Was die Letzteren betrifft, wollen sie zwar deren Stimmen, aber ihnen keine Gemeinderatsplätze zugestehen. Die Grünen können mit 20% mehr Gemeinderäten als bisher (2000) rechnen. Noel Mamère, der Bürgermeister von Bègles, war im 1. Wahlgang mit 56,6% wiedergewählt worden.

Die Kommunistische Partei gibt wieder ein Lebenszeichen von sich. In Dieppe und Vierzon konnte sie dank der gemeinsamen SP-Liste im ersten Wahlgang den Bürgermeistersessel erringen. Sie können ihre bisherigen Bastionen halten und dort, wo die SP allein marschieren wollte, gewinnt die KP an Stimmen dazu.

Durchbruch der antikapitalistischen Linken
Die LCR (Ligue Communiste Révolutionnaire) konnte in ihrer 40-jährigen Geschichte ihr bestes Ergebnis einfahren. Präsent auf 200 Listen (oft zusammen mit anderen Basis- bewegungen, da weder die KP noch Lutte Ouvrière (LO) bereit waren, gemeinsame Listen zu erstellen), konnte sie in 114 Städten über 5% erreichen und in 32 über 10%. LO, die in 69 Städten gemeinsame Listen mit SP oder KP oder mit beiden zugleich eingegangen war, zieht ihre Unterstützung in zwei Städten (Perpignan und Marseille) zurück, da die SP gemeinsame Listen mit dem Modem im 2. Durchgang macht.

Die LCR konnte ihre Gemeinderatsmandate von bisher 30 auf 72 erhöhen. Die LCR gewinnt vor allem in mittleren Städten, in denen sie der Linksunion gegenüberstand und in Vororten von regionalen Großstädten 6% bis 10%. Für Olivier Besancenot (ehemaliger Präsident- schaftskandidat) sind das „ausgezeichnete Ergebnisse, die die Richtigkeit der Strategie der Unhabhängigkeit gegenüber der institutionellen Linken (SP/KP) zeigen.“ Die LCR sieht im Ergebnis auch eine günstigere Ausgangslage für die beabsichtigte Gründung einer breiten antikapitalistischen Partei bis Jahresende. Schon in den kommenden Wochen werden überall Komitees auf die Beine gestellt, um die entsprechenden Schritte zu unternehmen. Während des Wahlkampfs wurde immer wieder auf die Unterstützung der sozialen Kämpfe hingewiesen.

In 40 Städten wollten sie mit den Sozial-Liberalen ein technisches Abkommen zum Aufruf für den zweiten Wahlgang treffen. D.h. die antikapitalistischen Vertreter bewahren ihre Unabhängigkeit und rufen lediglich auf, für die gemeinsame Liste zu stimmen. Dies wurde sowohl von SP als auch KP abgelehnt; deshalb gibt die LCR keine Wahlempfehlung ab, obwohl die Parole heißt, die Rechte zu schlagen. In fünf Städten, in denen die Liste der LCR mehr als 10% erreichte, halten sie die Liste für den 2. Durchgang aufrecht. Dies ist in: Louvier, Noisy-le-Grand, Clermont-Ferrand, Quimperlé, Foix und in Montpellier der Fall.

Für Alain Krivine (interviewt von I-Tele) zeigt diese Wahl, „dass eine echte Wende seit der Wahl Sarkozys eingetreten ist. Dies ist das Ende der Illusionen, die so viele WählerInnen in Sarkozy hatten. Es ist ihnen klar geworden, welche Politik er wirklich macht, dass mit ihm der Vertreter des Medef (Unternehmerschaft) an der Macht ist. Die sozialen Kämpfe der letzten Monate haben diesen Trend bereits angekündigt. Man spürt, dass die Leute die Schnauze voll haben. Das Ergebnis ist eine Ermutigung für die kommenden sozialen Bewegungen.“

Johann Schögler
12.März 2008

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